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Sachverständigenanhörung im Bundestags-Ausschuss


Zum Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) fand am 24. Oktober 2012 eine öffentliche Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Berlin statt. Anlass dafür war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Transparenz in Public Privat Partnerships im Verkehrswesen" (17/5228) sowie ein Antrag der SPD-Fraktion „Für einen neuen Infrastrukturkonsens: 'Öffentlich-Private Partnerschaften differenziert bewerten, mit mehr Transparenz weiterentwickeln und den Fokus auf die Wirtschaftlichkeit stärken' (17/9726).

Bei dieser Anhörung wurde deutlich, dass die Experten ÖPP – damit gemeint ist die Mobilisierung privaten Kapitals und Fachwissens zur Erfüllung staatlicher Aufgaben – unterschiedlich bewerten.

Schon in der Bauwirtschaft sind die Standpunkte verschieden. Während der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) ÖPP-Projekte „ausdrücklich" begrüßt, lehnt der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) diese zumindest im Straßenbau in der Form der bisherigen A-Modelle als mittelstandsfeindlich ab.

Heiko Stiepelmann vom HDB sprach sich des Weiteren für mehr Transparenz bei den Vergabeverfahren und den Ausschreibungs- und Vergabeergebnissen aus. Deshalb habe sein Verband bereits eine Transparenzoffensive gestartet, in der sich die Unternehmen der Bauindustrie zu einer grundsätzlichen Offenlegung von ÖPP-Verträgen bereit erklärt haben. Auch zeigte er sich davon überzeugt, dass es sich für den Bund lohnen würde, über eine Ausweitung von ÖPP nachzudenken. Dies gelte besonders für den öffentlichen Hochbau, Baumaßnahmen für die Bundeswehr und den Verkehrswegebau, zum Beispiel im Bereich der Schienenwege.

Auch wenn Felix Pakleppa vom ZDB ÖPP im Autobahnbau ablehnt, so kann er sich dieses Modell im Hochbau als Alternative zur Fach- und Teillosvergabe vorstellen. Hierbei müsste jedoch auf die mittelstandsgerechte Ausgestaltung geachtet werden. Er wies darauf hin, dass durch ÖPP nicht zusätzlich Investitionen in die Infrastruktur möglich werden, da der öffentliche Auftraggeber die höheren privaten Finanzierungskosten indirekt ebenfalls zu tragen hätte.

Bernward Kulle von der ÖPP Deutschland AG zeigte auf, dass seit 2002 insgesamt 183 ÖPP-Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 7,2 Milliarden Euro im Hoch- und Tiefbau an private Unternehmen vergeben wurden. Das seien zwei bis drei Prozent der gesamten Bauinvestitionen der öffentlichen Hand. Auch er befürwortete ausdrücklich die Forderung nach mehr Transparenz bei ÖPP.

VIFG-Geschäftsführer Prof. Torsten R. Böger bewertete die bisher gemachten Erfahrungen mit ÖPP-Modellen im Bundesfernstraßenbau als wirtschaftlich und erfolgreich. So wurden bisher mehr als 300 Kilometer Autobahn sechsspurig ausgebaut.
Weiter informierte er: Der Lebenszyklusansatz – „Planen, Finanzieren, Bauen und Betreiben aus einer Hand" – hat sich als Wirtschaftlichkeitsmotor erwiesen. Die private Finanzierung (Projektfinanzierung) mit Risikoübertragung auf den Privaten hat sich bewährt und sorgt dafür, dass die im konventionellen Bau bei Großprojekten bekannten ausufernden Kosten vermieden werden. Die langen Vertragslaufzeiten der ÖPP Projekte bewirken eine langfristige hohe Qualität und ein effizientes Erhaltungsmanagement der Verkehrswege.
Auch ist in jedem der bisherigen Projekte der Mittelstand in hohem Maße vertreten, entweder als Mitgesellschafter der Projektgesellschaft, als Mitgesellschafter an der Bauarbeitsgemeinschaft oder als beauftragter Nachunternehmer. Mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung wird so von der lokalen oder regionalen Wirtschaft erbracht.
Die bisher vergebenen Betreibermodelle im Bundesfernstraßenbau sind zum Zeitpunkt der Vergabe im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung geprüft und als wirtschaftlich bestätigt worden. Jedes der bisherigen ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau wird zudem durch die VIFG mit einer nachlaufenden Erfolgskontrolle wirtschaftlich im Sinne eines engen Projektcontrollings verfolgt.

Ganz anders sieht das Carl-Friedrich Waßmuth von „Gemeingut in Bürgerhand". ÖPP sei insgesamt ein Fehler, heißt es in seiner Stellungnahme. Die Nachteile ließen sich nicht durch etwas mehr Transparenz, etwas bessere Vertragsgestaltung, besseres Vertragsmanagement oder eine bessere Auswahl der Projekte beheben. Die zugrundeliegenden Mechanismen würden von der Privatwirtschaft „nicht ohne Grund" für sich selbst nicht angewendet – 30-Jahres-Verträge würden hier nicht abgeschlossen.

Die Bundesrechnungshof-Vertreterin Romy Moebus wies auf das Risiko hin, dass ÖPP-Projekte oft stärker als alternative Finanzierungsmodelle eingesetzt werden könnten, wenn eine kreditfinanzierte konventionelle Umsetzung der Maßnahme eine gegen das Grundgesetz verstoßende Neuverschuldung zur Folge hätte. Für den Bundesrechnungshof ist ÖPP eine Beschaffungsvariante und keine Finanzierungsvariante, sagte sie weiter.

Für wirtschaftlich ineffizient hält Prof. Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin ÖPP. Gründe hierfür sieht er in methodischen Defiziten und Fehlanreizen bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung. ÖPP sei die Anwendung der „griechischen Finanzierung der Infrastruktur" in Deutschland, sagte er.

Die vollständigen Stellungnahmen aller Sachverständigen finden Sie unter folgendem Bundestag-Link.